Sahnetorte für den Stifter, Brotkrümel für die Allgemeinheit?

Wer stiftet, darf weniger Steuern zahlen. Das sei gerecht, so geht die Mär. Schließlich diene die Stiftung der Allgemeinheit. Doch befinden sich Steuerersparnis und Stiftungsleistung im Gleichgewicht, zumindest annähernd? Machen wir die Rechnung auf. Angenommen, ein Unternehmer verkauft seine Firma. Vom Erlös nimmt unser Mann 500.000 Euro, um damit eine Stiftung zu gründen. Diese 500.000 Euro darf er bei der Einkommensteuer geltend machen. Seine Steuerlast sinkt damit um knapp 250.000 Euro (würde er diesen Betrag versteuern, müsste er den Spitzensteuersatz von 45 Prozent plus Solidaritätszuschlag zahlen). Das macht sich im Staatssäckel sofort bemerkbar – die staatlichen Einnahmen fallen um 250.000 Euro niedriger aus. Und die Stiftung?

Gehen wir davon aus, sie erwirtschaftet mit ihrem Stiftungskapital (500.000 Euro) eine jährliche Rendite von 2 Prozent. In Zeiten niedriger Zinsen ist das gar nicht schlecht. Dann kann die Stiftung nach Ablauf des ersten Jahres 10.000 Euro ausschütten, um den örtlichen Kindergarten zu fördern, eine Musikschule zu unterstützen oder einer Werkstatt für behinderte Menschen unter die Arme zu greifen. Jetzt der Vergleich: Der Staat hat ein Loch von 250.000 Euro in der Kasse. Die Allgemeinheit erhält von der Stiftung nach Ablauf des ersten Jahres jedoch lediglich 10.000 Euro. Ein krasses Missverhältnis? Nein, sagen die Stiftungsfreunde. Die Stiftung schütte im folgenden Jahr doch wieder 10.000 Euro aus. Und im übernächsten Jahr erneut. Und immer so weiter.

Rechnen wir nach: Bei einer Rendite von 2 Prozent dauert es sage und schreibe 25 Jahre, bis die Allgemeinheit zurückbekommt, was dem Fiskus im Gründungsjahr der Stiftung an Einnahmen entgeht. Bei 3 Prozent Rendite wären es immer noch 16,6 Jahre, bis die 250.000 Euro zusammenkommen. Fällt die Rendite allerdings unter 2 Prozent, dauert es noch länger als 25 Jahre, bis diese Summe beisammen ist. Von Zinsvorteilen für den Stifter, der sofort über 250.000 Euro zusätzlich verfügen kann, ganz zu schweigen. Wissen die Steuerzahler von diesem Zusammenhang? Ich zumindest kenne keine Veröffentlichung, die sich diesem Dilemma widmet. Martin Speer vom Bundesverband Deutscher Stiftungen verteidigt die Steuerprivilegien. Er betont, dass Stiftungen „im Idealfall auf ewig“ existieren. Die Stiftung habe deshalb die Chance, „über Jahrzehnte Geld, Wirkung und Ideen zurück in die Gesellschaft zu geben“. Mittelfristig, so Speer, würden deshalb die „Vorteile des Stiftungsmodells“ überwiegen. Und welche Einbußen hat der Staat hinzunehmen, angesichts von bundesweit 21.000 Stiftungen? Wie hoch die „Steuermindereinnahmen“ sind, darüber könnten „keine Aussagen getroffen werden“, teilt das Bundesfinanzministerium auf Anfrage mit. Es lägen „keine verlässlichen Daten“ vor. (Foto: Pixabay)