Sie finanziert klinische Forschung, vergibt Medizin-Preise, fördert Gesundheitsprojekte in Äthiopien und Tansania, und zum 30-jährigen Bestehen sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Grußwort: Gemeint ist die schwerreiche Else-Kröner-Fresenius-Stiftung mit Sitz in Bad Homburg. Ihr Vermögen, stattliche 6,2 Milliarden Euro, hat sie in den Gesundheitskonzern Fresenius (Dialyse-Geräte, Helios-Kliniken) investiert. Dort hält die Stiftung 26,6 Prozent der Aktien. Im Jahr 2019 kassierte die Bad Homburger Großstiftung nach meinen Berechnungen Fresenius-Dividenden in Höhe von 126 Millionen Euro – steuerfrei, denn die Stiftung ist als gemeinnützig anerkannt. Zu Recht? 2019 bewilligte die Fresenius-Stiftung laut eigenen Angaben 59,4 Millionen Euro für Förderprojekte. Was passierte mit den übrigen 66 Millionen Euro? Auch 2017 und 2018 flossen nach meinen Berechnungen kaum mehr als 50 Prozent der Stiftungs-Einnahmen in gemeinnützige Förderprojekte. Was geschah mit den übrigen gut 50 Prozent?
Fresenius-Stiftung soll Fresenius-Konzern stützen
Auf der Homepage der Stiftung ist zu lesen: Im Dezember 2019 gab die Fresenius-Stiftung 100 Millionen Euro aus, um zwei Millionen Aktien des Fresenius-Konzerns zu erwerben. „Mit diesem Aktienzukauf stärken wir unser langfristig orientiertes Engagement als Ankeraktionärin von Fresenius“, erklärte Stiftungsvorstand Rudolf Herfurth. Ankeraktionärin bedeutet Hauptaktionärin. „Damit führen wir das Vermächtnis unserer Stifterin Else Kröner fort, das Unternehmen als unabhängiges Ganzes zu erhalten“, so Herfurth. Die Apothekerin Else Kröner war Mitgründerin des Fresenius-Konzerns. Das weltweit tätige Unternehmen expandiert. Um dies zu finanzieren, gibt Fresenius neue Aktien aus. Ohne Aktienzukauf würde der Anteil der Stiftung folglich sinken. Auch 2017 und 2018 gehörten deshalb umfangreiche Aktienkäufe zum Programm der Stiftung.
Verdeckte Unternehmensselbstzweck-Stiftung?
Moment mal. Was steht bei Stiftungs-Aktivitäten im Vordergrund? Gemeinnützige Projekte fördern? Oder ein privates Unternehmen erhalten? Die Bad Homburger Stiftung soll mit ihren Aktienzukäufen offenbar verhindern, dass bei Fresenius andere das Sagen bekommen. Dass das Unternehmen verkauft wird. Dass es zu einer feindlichen Übernahme kommt. Gewiss, das können sinnvolle Ziele sein. Aber nicht Aufgabe einer gemeinnützigen Stiftung. So sah es zumindest Professorin Birgit Weitemeyer, Stiftungsexpertin an der Bucerius Law School in Hamburg im Jahr 2015, als ich sie für mein Stiftungsbuch interviewte. Wenn Stiftungen derlei Ziele verfolgten, so Weitemeyer damals, handele es sich aus ihrer Sicht um „verdeckte Unternehmensselbstzweck-Stiftungen“. Sie kritisierte zudem, dass sich Unternehmen mit Hilfe einer Stiftung derart abschotten.
Fresenius-Stiftung verteidigt ihre Geschäftspolitik
Die Bad Homburger Großstiftung verweist auf’s Gesetz, auf die Abgabenordnung, die Voraussetzungen für Gemeinnützigkeit definiert. In Paragraph 62, Absatz 1, Nr. 4 steht: Eine (gemeinnützige) Körperschaft darf ihre Mittel auch einsetzen, um „Gesellschaftsrechte zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften“ zu erwerben. Die Fresenius-Stiftung sei außerdem keine Unternehmensselbstzweck-Stiftung. „Dem widersprechen wir entschieden“, teilt die Stiftung mit. Die Stiftung sei „in ihrer Fördertätigkeit vom Unternehmen vollständig unabhängig und allein dem (…) gemeinnützigen Stiftungszweck verpflichtet“. Doch dass der Fresenius-Konzern sich in die Fördertätigkeit der Stiftung einmischt, hat niemand behauptet. Unterm Strich bleibt, dass der Steuerzahler eine Stiftung subventioniert, der es in hohem Maße um den Erhalt eines privaten Konzerns geht. Und das ist offenbar, so will es das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht, völlig legal. (Foto: Michal Jarmoluk auf Pixabay)
Nachtrag
Professor Michael Madeja, neben Rudolf Herfurth Vorstand der Fresenius-Stiftung, bittet mich einen Tag nach Veröffentlichung meines Berichts, einige Zahlen zu korrigieren. Was ich gerne tue. Also: Das aktuelle Stiftungsvermögen beträgt nicht 6,2 Milliarden Euro, sondern wegen des gesunkenen Aktienkurses 5,7 Milliarden Euro. Die Dividendeneinnahmen in 2019 lagen nicht bei 126 Millionen Euro, sondern bei 117 Millionen Euro. 2020 werde die Stiftung 124,7 Millionen Euro an Dividende einnehmen. Abschließend schreibt Madeja: „Ihr Artikel war – wie erwartet – nicht so positiv, wie ich es gern gesehen hätte, war aber sachlich und fair.“