Sahra Wagenknecht, prominente Politikerin der Linken, trommelt neuerdings für Stiftungen. Genauer gesagt, schlägt ihr Herz für Stiftungen, die Mehrheitseignerin oder Alleineigentümerin von Unternehmen sind. „Management und Belegschaft müssten dann keine Heuschrecken mehr fürchten, die sie übernehmen und ausweiden könnten“, schreibt sie in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“. (S. 293) „Zerstrittene Erben könnten ihnen nichts mehr anhaben und auch keine chinesischen Staatsfonds, die es auf Marke und Know-how abgesehen haben“, heißt es hier weiter. Spekulierendes Kapital hat also nix mehr zu sagen. Stattdessen befänden sich diese Unternehmen in „Leistungseigentum“, behauptet Frau Wagenknecht. Was heißen soll, „dass vor allem die, die im Unternehmen eine Leistung erbringen, von einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung profitieren“ – „während die Kapitalgeber (…) nach der Rückzahlung eines bestimmten Betrags abgefunden sind.“ (ebd.) Sie erhalten mal höhere Zinsen, mal niedrigere, mehr nicht. Der Einfluss der Kapitalgeber ist also begrenzt. Dieses Prinzip sei in etlichen Firmen bereits verwirklicht – die Linken-Politikerin verweist auf „erfolgreiche Stiftungsunternehmen wie Zeiss, Saarstahl, Bosch oder ZF Friedrichshafen“. (ebd.)
Geschützt vor feindlicher Übernahme oder vor Erbstreitigkeiten – das ist korrekt, und exakt mit diesen Argumenten arbeitet auch die Stiftungslobby. Was von den Lobbyisten – und von Frau Wagenknecht – nicht erwähnt wird: Wenn ein reicher Unternehmer seine Anteile ganz oder teilweise auf eine gemeinnützige Stiftung überträgt, entgehen dem Staat enorme Einnahmen. Zum einen zahlt die Stiftung auf die Dividenden, die sie kassiert, keine Steuern. Nichts. Zum anderen wird auch das zu vererbende Vermögen des Unternehmers dramatisch verkleinert – was die Erbschaftsteuer drastisch reduziert. Bei Großunternehmen geht es mitunter um Milliarden Euro, zum Nachteil der öffentlichen Hand. Hinzu kommt: Der Unternehmer kann die Stiftungskonstruktion so gestalten, dass er – oder von ihm eingesetzte Vertraute – weiterhin im Unternehmen das Sagen hat. Bekanntestes Beispiel: Der Bertelsmann-Konzern, der weiterhin von der Familie Mohn und deren Vertrauten gelenkt wird, obwohl der Konzern zu drei Vierteln der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung gehört. Ja, die Bertelsmann-Stiftung, die vom linken politischen Lager immer wieder kritisiert wurde und wird – wegen ihrer neoliberalen Agenda, wegen ihres enormen politischen Einflusses auf die Bildungspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Außenpolitik. Hinzu kommt: Auch eine als gemeinnützig anerkannte Stiftung darf laut Gesetz bis zu einem Drittel ihrer Einnahmen an den Stifter und dessen Angehörige ausschütten. Wie schön für den Stifter oder die Stifterin! Von all dem kein Wort bei Frau Wagenknecht. Nichts! Folgt man ihrer Argumentation, hat auch im Unternehmen Bertelsmann das „Leistungseigentum“ Einzug gehalten, zum Wohle vor allem der Beschäftigten. Das sehen nicht alle so. Die Gewerkschaft ver.di meldete im September 2021, dass die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr aus der Tarifbindung ausscheren will. Arvato, eine weitere Bertelsmann-Tochter, kündigte 2019 an, sechs firmeneigene Call-Center mit 950 Beschäftigten schließen zu wollen. Verhaltensweisen wie sie üblich sind für einen nach Profit strebenden Konzern. Welche weiteren Firmen im Besitz einer gemeinnützigen Stiftung sind und was sich außerdem gegen diese Firmenkonstruktionen sagen lässt: In meinem Buch „Scheinheilige Stifter“ steht dazu einiges, ab Seite 131. (Foto: Matthias Holland-Letz)